Der Krieg nach dem Krieg
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Donnerstag, 14. August 2008, 14:52
aus dem *leerschluck* dept.
Während ich in Dresden unterwegs war, brachte der Spiegel eine Ausgabe mit einem langen Bericht über den kalten Krieg. Lange stand ich vor dem Kiosk, entschloss mich dann aber doch für ein dickes Buch. Freundlicherweise hat ein Mitbewohner dieses Heft gekauft und auf dem Küchentisch hinterlassen.
Direkt und ungeschminkt wird die Geschichte zwischen den ersten Konflikten in Berlin kurz nach dem Zusammenbruch des dritten Reiches bis zu Gorbis Umstellung in Russland beschrieben. Der rasante Aufbau auf beiden Seiten, bis in der Blütezeit gut 30'000 und 40'000 Atombomben auf beiden Seiten standen.
Die diversen heissen Momente, in denen der Krieg nur noch eine Haaresbreite weg war und die Gründe, warum es dann doch nicht so weit kam. War Games war gar nicht so unrealistisch...
Ein Abschnitt, den mir am meisten zu denken gab, war der russische Einsatzplan im Falle eines Krieges. Nicht die Vernichtung eines Amerikas stand primär darin, sondern die Einnahme von Europa. 120 Divisionen standen über Jahrzehnte bereit, das nuklear ausgebombte Europa innert einer knappen Woche einzunehmen - so schnell, dass der Krieg gewonnen ist, bevor die Strahlenkrankheit die eigenen Soldaten unter den Boden gebracht hat. Klassischer Blitzkrieg unter Inkaufnahme eines massiven Verlustes in den eigenen Reihen - noch einen Schritt perverser, als Hitler das in den ersten Monaten des zweiten Weltkrieges vorgemacht hat.
So ganz anders ist ein solches Szenario als das, was uns damals beispielsweise mit einem The day after beschrieben wurde. Nicht nur die Zerstörung des Landes stand im Vordergrund, sondern auch dessen anschliessende Einnahme. Wer findet noch eine Chance, vor dem Fallout zu fliehen, wenn mehr als eine Million Soldaten daherkommen?
Entsprechend unreal erscheint unter dieser Sichtweise auch das bis 1991 verfolgte Reduit der Schweizer Armee. Noch in meiner RS wurde uns beigebracht, dass der *bumpf* etwas Finales sei und der Feind ihn erst am Schluss einsetzen würde - so ganz in der Tradition des Krieges gegen Japan. Ein präventiver Erstschlag, womöglich noch vor oder während der Mobilmachung, stand gar nicht zur Diskussion. Und eine "chemische" Motivation der Soldaten? Ich glaube kaum, dass in den Pflichtreserven Speed oder Koks dazugehört hat. Diese Möglichkeit hat unsere Armee wohl nicht mitbekommen.
Wieviele Soldaten und Offiziere wären mental noch in der Lage gewesen, sich nach dem Erleben eines nuklearen Angriffes auf das Mittelland gegen eine Armee zu stellen? Wer wäre noch aufgestanden und hätte in den Alpen für eine Flagge gekämpft, im Wissen, dass Zuhause alles weg ist?
Mittlerweile ist der kalte Krieg vorbei, auch wenn noch eine schier endlose Zahl von Sprengköpfen eingelagert ist. Wohl etwas planlos deren Einsatz, aber was man hat, das hat man. Und ja nicht darüber sprechen, um die bösen Schwellenländer, die auch nach dieser Waffe lechzen, an den Pranger stellen zu dürfen.
Eines spricht der Artikel nicht an: Es war wirtschaftlich die beste Zeit der westlichen Nationen. Krieg ist ein verdammt guter Motor, auch wenn er nur "kalt" stattfindet.
Scheissspiel.
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