Zuhause
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Mittwoch, 25. Juni 2008, 20:09
aus dem *wer-eine-reise-tut* dept.
Meine Flucht führte mich über Frankfurt, Dresden und Berlin. 11 Tage war ich unterwegs, die trotz Arbeit sich beinahe wie Ferien anfühlten.
Die erste Station war Frankfurt. Ich besuchte die Ausstellung über die 68er, welche von einer guten Freundin mitorganisiert wurde. Der erste Nachmittag verbrachte ich alleine in Frankfurt, machte einen langen Spaziergang und trank auf der Zeil Galerie einen Kaffee mit Aussicht. Das Foto von unterwegs für Beni - es ist eine der geilen Glasfassaden, in denen sich ein altes Gebäude spiegelt.
Im Bahnhofskiosk fand ich am Abend Das Buch Hitler. Ein Bericht, den der russische Geheimdienst für Stalin höchstpersönlich zusammengetragen hat. So tauchte ich im Anblick der Frankfurter Skyline in die späten 30er Jahre und las aus dem Privatleben und der Arbeit eines Diktators.
Das Buch zeigt genaugenommen zwei Charakteren: Einerseits der portraitierte Hitler, andererseits aber auch der Auftraggeber Stalin, der mit unbeliebten Mitarbeitern nicht zimperlich umging. Entsprechend sind die Lücken des Buches genauso aussagekräftig wie der Text - die beiden Uebersetzer gehen in ihrem Nachwort auch sehr detailliert auf diese Tatsache ein.
In Dresden dann gleich zwei Bilder vom Bahnhof. Links das Feldschlösschen Bier, ein Foto für meinen Vater, der das Schweizerische Bier unter demselben Namen mag. Ich habe mir lange überlegt, ob ich eine Flasche einpacken sollte - bin dann aber aus Rücksicht zum Bier davon abgekommen, in meinem Tramperrucksack eines mitzunehmen.
Rechts das Filmtheater, eine Art Warze am Bahnhof. So schön der Bahnhof mittlerweile restauriert ist, so abgefuckt steht das angebaute Kino da. Soviel ich weiss, handelt es sich dabei um einen kaiserlichen Eingang zum Bahnhof, der in späteren Jahren umgebaut wurde. Sichtlich gehört das Bauwerk einem anderen Besitzer, der nicht ganz so viel Geld wie die DB zur Verfügung hat.
Genauso faszinierend finde ich auch die Baugrube hinter dem Kugelhaus am Wiener Platz. Mitten in der besten Lage hat es schon seit mindestens zwei Jahren ein grosses Loch - warum das wohl da ist?
Für die DALCO hatte ich natürlich zu tun - und zwar nicht nur mit charmanten Frauen flirten :-) So stand unser Cluster an bester Lage:
Das mit dem Flirten war sowieso eine interessante Sache über diese Tage. Die wohl faszinierendste Frau begegnete mir in Frankfurt - sie zeigte mir durch ihre Körpersprache rasch, dass sie ihre Freundin bedeutend toller findet als mich Mann. Ich verstehe die Frauen, die jammern, alle schönen Männer seien schwul ;-)
Und dann war da ein Standbauer. Ich sah ihn schon das dritte Mal. Ein ganz vertrauter Blick, ein kurzes Gespräch. Nur wenige Sekunden, aber von einer Intensität, die ich noch vor wenigen Jahren ausschliesslich einer Frau zugelassen hätte. Das Leben wird mir sicher noch die eine oder andere Ueberraschung bringen - ich muss nur genug offen dazu sein.
Am letzten Tag in Dresden machte ich einen Ausflug zu einer Bahn, deren Foto im Flur der Jugi aufgehängt war. Einerseits eine Standseilbahn, andererseits eine Einschienen Hängebahn - beide im Stadtteil Loschwitz zuhause. Umgeben von wunderschönen Häusern aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Da ich sparsam veranlagt bin, fuhr ich mit der Einen nach oben, passierte den Oberen Ziegengrundweg und fuhr mit der Anderen nach unten. Der Weg war selbst für mich "Bergler" eine Herausforderung - und das mitten in einer grossen Stadt. Der Ausblick vom Turm auf der "Bergstation" der Hängebahn ist fantastisch:
Wenn Dresden, dann eine Wohnung in Loschwitz. Wahrscheinlich für viele Dresdener unbezahlbar, aber mit so viel Charme wie ich ihn bisher nur von Brighton her kannte.
Das mittlere Bild zeigt auch gleich das grosse Politikum in Dresden: die angehende Waldschlösschenbrücke. Einerseits wird einem aus dieser Höhe klar, dass die Brücke zwischen Denen der Alt- und Neustadt und dem Blauen Wunder tatsächlich ihre Berechtigung hat - andererseits ist aber auch klar, welchen Eingriff sie in dieses Unesco Weltkulturerbe mit sich bringen wird. Die Dresdener hatten es am Sonntag in der Hand, einen neuen Oberbürgermeister und damit auch die zukünftige Strategie in Sachen der Brücke zu wählen.
Aber nicht nur die Politik war heiss, auch die Diskussionen unter den Mädchen in der Jugi. Sicherlich drei Gruppen von vielleicht 16 Jährigen logierten in den 5 Nächten, in denen ich da war. Es erstaunte mich immer wieder, wie offen die Mädchen intrigierten, einander heruntermachten und verletzten, wo es nur ging. Ist das üblich für Deutschland? Dass Menschen körperlich eher einmal aufeinander zugehen als wir Schweizer habe ich schon öfters bemerkt - gehört das Zicken auch dazu? "Unsere" Mädchen sind sicherlich auch nicht die nettesten, aber derart aggressives Verhalten ist mir noch nie begegnet.
Auf dem obersten Stock, auf dem ich einquartiert war, hatte es ein paar faszinierende Bilder. Da oben sind die "Leiterzimmer", wo man vielleicht eher solche Fotos aufhängen kann:
Sie scheinen aus einem Fotowettbewerb oder einem Workshop zu stammen und geben einmal mehr ein paar Inspirationen für eigene Fotos. Fehlt nur noch das Modell :-)
Berlin war der Abschluss. Ich besuchte Bekannte, machte mit ihnen einen Rundgang am Lesbischen und Schwulen Stadtfest und am Sonntag eine kleine Bootstour auf dem Tegelsee. Ein ganz anderes Berlin, als man es üblicherweise als Touri erlebt - der Vorteil, wenn man Einheimische besucht und sich nicht der grossen Touristenmasse anhängt.
Der erste Eindruck war einfach Dreck, Dreck und noch einmal Dreck. Selbst London habe ich nicht so dreckig in Erinnerung wie mir das Berlin hinter dem neuen Bahnhof begegnet ist. Die Stadt mag einer der grossartigsten Plätze auf der Welt sein, ich kann mich aber nicht dafür erwärmen. In der Erinnerung an meinen letzten Besuch vor ein paar Jahren ist auch weniger Schmutz da. Vielleicht bin ich einfach am falschen Ort ausgestiegen?
Der neue Bahnhof ist einfach nur geil. Wie unter jedem grossen Kaiser bekam auch Berlin mit Schröder einen fantastischen Bahnhof, der vermutlich noch in 100 Jahren ein grosses Oooh auslösen wird. Zwei Ebenen, gekreuzt, endlos Glas, alles luftig und offen. Auch wenn der Bahnhof einen gewissen praktischen Ansatz vermissen lässt, dürfte er eines der gewaltigsten Bauwerke in diesem Bereich sein. Und so lange die DB nicht das Konzept der Bahn 2000 übernimmt und alle Stunden Züge nach allen Richtungen sammelt, werden die sechs und acht Geleise auch eine Weile reichen.
Ich finde Bahnhöfe sowieso immer wieder etwas Faszinierendes. Andere Leute mögen Kirchen betrachten - auch ich habe mich heruntergelassen und habe mich einmal durch die Frauenkirche gezwängt - ich habe es mit den Bahnhöfen. Grundsätzlich Zweckbauten, gemacht um eine bestimmte Sache zu verrichten. Und doch immer wieder auch ein Spiegel der Zeit, in der sie gebaut wurden. Jeder Bahnhof hat seine Identität und so unterscheiden sich die Stationen HB Zürich, Frankfurt Hbf und Süd, Dresden Hbf und Neustadt wie auch Berlin Hbf grundsätzlich voneinander.
Auch das politische System findet sich in einem Bahnhof. Der HB in Zürich ist ein ewiges Bauwerk, in einer kaiserlichen Monarchie oder der aktuellen Diktatur Republik entstanden mit Dresden oder Berlin zwei Bahnhöfe, die auf ewige Zeiten genug Platz haben. Klotzen, nicht kleckern funktioniert in einer richtigen Demokratie nicht wirklich.
Seit Montagabend bin ich wieder zuhause. Viele schöne Erinnerungen und ein wirklich gutes Gefühl bleiben erhalten.
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