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 Henry & June 
Polyamory Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Donnerstag, 28. Dezember 2006, 13:42
aus dem *vor-der-Leinwand-sitz* dept.

Gestern Abend guckten wir einen Film, den Priska in der Liste der alt.polyamory Leuten fand. Nach dem eher unverständlichen Film am Dienstag versuchten wir es mit bekannten Werten.

Erzählt wird eine wahre Geschichte, auch wenn sich die einen oder anderen Schreiber im Netz darüber streiten, wie weit der Film dem tatsächlichen Leben entspricht. Anaïs Nin, selbst verheiratet, lernt 1931 in Paris Henry Miller und seine Frau June kennen. Anaïs und Henry beginnen eine Liebesaffäre als June kurze Zeit nach Amerika geht. Als diese zurückkommt, gibt es noch eine kurze und intensive Begegnung der beiden Frauen und einen grossen Streit, worauf Anaïs weggeht.

Sowohl Henry Miller als auch Anaïs Nin waren Schrifsteller. Anaïs war bekannt für ihre erotische Literatur und der englischsprachige Wikipediartikel zeigt ein ausgelassenes Leben, in dem Affären, Inzest und Bigamie durchaus ein Thema waren.

Der Film ist mit viel Liebe ausgestattet und sehr gekonnt gefilmt worden. Mir ist kein Detail begegnet, das nicht in die frühen Dreissigerjahre gepasst hätte. Die Bilder sind sehr dicht, das Licht jeweils absolut passend zur Szene gesetzt. Gezeigt werden die beiden Zuhause der Hauptdarsteller - das eine ein herrschaftliches Haus eines Bankers, der nach dem grossen Börsencrash zu Geld kam, das andere eine heruntergekommene Bleibe, in der ein Künstler seinem Schaffen nachgeht.

Die Schnitte manchal etwas verwirrend. Ist das jetzt gleich nachher oder liegen zwischen der letzten und der aktuellen Szene Tage, Wochen? Meist erkennt man erst hinterher, dass zwischen den Szenen etwas passiert sein muss.

Der Film ist gespickt mit vielen erotischen Szenen - ein paar davon finden sich gar im Trailer des Filmes. Die Begierde der Figuren, die Freude am miteinander Schlafen aber auch die Unsicherheiten wirken nie gespielt. Für eine amerikanische Produktion wird viel Haut gezeigt und entsprechend darf man den Film drüben auch erst ab 18 gucken. Dennoch möchte ich den Film klar in die Schublade Erotik und nicht Porno stecken - die Szenen sind eingebettet in die Geschichte, gehören einfach dazu. Trotzdem nichts für kleine Kinder :-)

Das "sich gehenlassen" ist sicherlich etwas, was mit Poly zu tun hat. Solange ich in meiner Zweierkiste stecke, mir gar keine Gedanken mache ob ich andere Menschen lieben könnte, ist etwas wie Poly völlig fremd. Dennoch habe ich etwas Bedenken, wie die Menschen in diesem Film miteinander umgehen. Es wird zwar nie gelogen, aber auch nicht wirklich erzählt. Auch wenn das Gefühl vermittelt wird, Anaïs's Mann sei mit der Situation einverstanden, kommt dieses Einverständnis nie wirklich aufs Tapet.

Ich fühle mich unschuldig ist ein Satz, der ein paar Mal gesprochen wird. Ob Anaïs und Henry ihren Weg gehen und daher die Gefühle ihres Partners nicht als ihr Problem ansehen? Eine gängige Sichtweise, der ich mich jedoch nicht wirklich anschliessen kann. Eine gewisse Rücksicht sollte immer bleiben und die vermisste ich in der gezeigten Geschichte.

Auch diese Beziehung ist nur von kurzer Dauer. Die Beteiligten gehen auseinander, auch wenn im Abspann berichtet wird, dass sie Freunde blieben. Wie in vielen anderen Filmen, welche unkonventionelle Beziehungen als Thema haben, sind diese nicht von Dauer. Alle Beteiligten lernen aber von der Geschichte, kommen weiter in ihrem Leben. Lernen sich und ihre Partner besser kennen, blühen richtig auf. Die Zeit ist wohl noch nicht reif für eine Geschichte, in der ein schwules, lesbisches Paar oder eine Dreiecksbeziehung alt wird. Handkehrum sind auch "normale" Beziehungen selten von langer Dauer und daher die Filme vielleicht sogar noch eher passend als das, was uns Hollywood normalerweise beschert?

Auf alle Fälle ein wunderbarer Film, den ich mir bestimmt wieder einmal in den DVD Player schieben werde!

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  • till-andreas@gmx.net Re: Henry & June
    Geschrieben von Till (Link) am Mittwoch, 7. Februar 2007, 09:39

    Hallo Beat,
    zwar habe ich "Henry, June und ich" schon vor über zehn Jahren (im Kino) gesehen und Details sind verblasst, aber ich finde deine Rezension sehr einfühlsam und treffend. Bekomme gerade Lust, daraufhin den Film nochmal zu besorgen und mit meiner Liebsten anzuschauen.
    Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, wie du den Film "Malen oder Lieben" bewertest.
    Ciao
    Till

    • beat@0x1b.ch Re: Henry & June
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 7. Februar 2007, 09:48

      ...wie du den Film "Malen oder Lieben" bewertest.

      Tja, dazu müsste ich ihn erst kennen :-) Die offizielle Beschreibung wirkt eher dünn, auf kino.de kommt jedoch eine interessante Geschichte zum Vorschein.

      Priska, was meinst Du? Wäre das etwas für uns?

      • priska@0x1b.ch Re: Henry & June
        Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Mittwoch, 7. Februar 2007, 11:11

        Irgendwo hab ich diesen Filmtipp schonmal bekommen (leider krieg ich nicht mehr hin, wo, von wem, wieso...). Hab ihn auf die Liste genommen. Netterweise kriegen wir den via DVD-Miete. Wenn er nicht gefällt warens nur 7.50, wenn er uns gefällt, können wir ihn immernoch kaufen :-)

        Wir sollten wiedermal ein DVD-Wochenende machen *g*.