Voyager en train
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Mittwoch, 17. April 2013, 22:12
aus dem *adventure-trip* dept.
La Borne-Blanche hiess mein Ziel. Ein paar Kilometer nördlich von Paris, Charles de Gaulle. Selbst unser Fahrplan kennt den Ort *staun*
Logischerweise bekam ich in Ziegelbrücke nur ein Ticket bis Paris, wäre ja zu leicht gewesen. 20 Minuten verspätet im Gare de Lyon unterliess ich das Hetzen und stellte mich an einen Automaten. Patsch-Klick-Klick-Patsch-Tatsch. *kopfkratz*
*Klick-Patsch-Klick-Klick* Allez au guichet! Toll. Er kennt den Ort, ich kann den heutigen Tag und die jetztige Zeit auswählen - aber er will kein Ticket machen. Weiter zum Guichet.
Mich empfängt ein Einfädelsystem wie vor dem Skilift. Ich stelle mich erst in die falsche Schlange, die 10 Leute vor mir bekommen ihr Ticket, ich muss an das andere Ende. Als ich in der Pole Position stehe, bemerke ich die Genialität dieser Lösung: Links eine Säule, rechts eine Säule, der Schalter vor mir geschlossen. Es ist unmöglich zu sehen, ob einer der bedienten Schalter frei ist, die Angestellten hinter ihren Panzerscheiben geniessen friedlich ihre Ruhe. Eine freundliche Mitleidende zeigt mir einen freien Schalter, ich vermute pure Rachesucht.
Frau SNCF findet im Computer den Ort, ist aber nicht zufrieden und nuschelt viel für mich unverständliches Französisch. Geht 5 Minuten nach hinten, plaudert lang und intensiv. Verlangt EUR 7 von mir, gibt Rückgeld. Ist aber noch immer nicht zufrieden, geht noch einmal 15 Minuten nach hinten und diskutiert mit dem Chef. Also, Ticket sei OK, ich müsse aber tout droit an den Schalter im Err-ö-err Bahnhof, eine Bahnsteigskarte mit Magnetstreifen abholen, um überhaupt auf das Perron zu kommen. Ich eile wehmütig am Starbucks vorbei - dessen Cookie avec Chocolat blanc übrigens absolut hervorragend schmeckt, auch wenn es vier Leute braucht, um einen Tall Cappucino sur Place zu brauen - finde einen Schalter. Es ist der Falsche, das Fräulein stellt mir trotzdem eine Karte aus, und ich erwische einen Zug in die Pampas. Puh!
Zusammengepfercht in einem Doppelstockwagen mit fünf Sitzen pro Reihe ruckle ich durch die immer ländlicher werdende Aussicht. Die Leute ignorieren sich tunlichst und wenn überhaupt, dann betrachten sie einander mit grösstem Misstrauen. Jeder Bahnhof hat hohe Gitter und Drehkreuze, in denen die Tickets noch einmal validiert werden - ich gucke meinem so gut wie meiner Kamera und dem Portemonnaie. Dann kommt La Borne-Blanche. Kein Gitter, kein Drehkreuz. Aber auch kein Billetautomat. Ob das gut geht?!?
Rückreise. Ich gehe zum Bahnhof. Habe viel Reserve im Rucksack, will ja meinen reservierten Sitzplatz im TGV nicht verpassen. Haue das nächstbeste Mädchen an und frage nach einer Möglichkeit ein Billet zu erwerben. Sie meint, ich solle mit dem Zug eine Haltestelle weiter, da gäbe es einen Schalter.
Mit ungutem Gefühl steige ich in den Zug und fahre die 5 Minuten bis Orry-la-Ville, welches auch kein Gitter und Drehkreuz besitzt. Finde einen Automaten - nur scheint die Sonne direkt ins Display und ich sehe absolut gar nichts. Also ab zum Schalter. Ich habe es versucht. Alles gegeben. Hätte ich es nicht getan, würde ich zukünftig beim heimlichen Schimpfen ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn Leute in Ziegelbrücke nach einem Billet bis Pfäffikon fragen und mich warten lassen.
Herr SNCF verkauft mir gleich eine Magnetkarte, mit der ich in Paris wieder aus dem Bahnhof komme. Prima! Warum sie für denselben Weg EUR 1.55 mehr kostet frage ich nicht, die haben vermutlich Tagespreise wie an der Börse.
Ich weiss, dass ich mein Billet kompostieren muss (a composter, abstempeln), nur tut der Automat nicht. Freundliche Mitleidende weisen mich darauf hin, dass ich nicht zu blöd bin, sondern alle Stempelautomaten am Bahnhof defekt seien. Noch einmal an den Schalter, da bekomme ich einen fetten Stempel. Auch die SNCF ist quasi ein Staatsbetrieb und deren Angestellte haben eine wunderbare Sammlung dicker Stempel *plonk* Warum nicht gleich zu Beginn? Fragen über Fragen, mit denen ich alleine gelassen werde.
Der Rest der Reise nach Paris verläuft reibungslos, ich bleibe bloss in der Vereinzelungsanlage stecken und muss meinen Rucksack trickreich und mit vorsichtiger Gewalt befreien. Was macht wohl die Mehrheit der Franzosen, die mir unterwegs begegnet sind, welche mindestens 20kg zu viel auf den Rippen haben?
Je eine Stunde Abenteuer, um ein Ticket von rund 10 Franken zu erwerben, für eine Fahrt von jeweils 45 Minuten. Faszinierende Demotivation bei den Angestellten, viele unfertig durchdachte Konzepte. Und eine überraschende Hilfsbereitschaft bei den Mitreisenden, die wohl einen gemeinsamen Feind in ihrer Staatsbahn gefunden haben. Vive la France, so etwas kann man nirgendwo sonst erleben! ;-)
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