Analog versus Digital
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Samstag, 17. Dezember 2011, 10:51
aus dem *rant* dept.
In den letzten Tagen habe ich einige Blogs von Fotografen aufgestöbert und meinem Feedreader zum futtern übergeben. Unangenehm aufgefallen ist mir der Ton, der viele Analogfotografen anschlagen, wenn es um die Diskussion von Digital versus chemischer Fotografie geht. Mit missionarischem Eifer wird gepredigt, dass nur das Fotografieren mit Film das einzig Wahre ist.
Zu einem richtgen Rant gehört es dazu, sich aufzuregen. Und das tue ich beim Wort Analogfotografie. Ich finde es ein grässliches Konstrukt, das mir jeweils die Haare am Rücken aufstellt. Analog versus Digital, das war für mich die Frage nach der Signalverarbeitung in Elektronik. Als Kind der LP vs CD Diskussion unterschieden die beiden Dinge die Frage nach der Verarbeitung von Ton- oder Bildsignalen. Ich achtete in meiner Jugendzeit drauf, was auf den CDs stand: AAD, ADD, DDD - Aufnahme, Mischen und Pressen, Analog oder Digital. Analog hiess schon damals Rauschen, digital Beschränkung und harte Limiten.
Für mich gab es sogar echte Analogfotografie. An der Fotokina 1992 stellte mein damaliger Arbeitgeber eine Analogkamera vor, die mittels CCD und analoger Signalverarbeitung Bilder auf einer VHS Kassette speicherte. Trotz regem Interesse wurde das Ding nie produziert - die Bilder waren einfach zu mies und die Kamera mit separatem Rekorder viel zu gross. Oder erinnert sich jemand hier an die Mavica? Auch das eine echte Analogkamera.
Das, was als Analogfotografie bezeichnet wird, hat nichts mit analog zu tun. Es ist chemisch. Es werden keine Elektronen durch Drähte gezwängt, sondern Moleküle durch Licht und Chemie verändert. Sagt dem vielleicht Chemische Fotografie. Oder vielleicht Atomare Fotografie. Oder wenn Ihr an die Gelatine und den Reifungsprozess von Filmen denkt, an Biologische Fotografie. Aber bitte nicht analog. Sonst denke ich sofort an Elektronik und bin nahe bei dem, was wir heute haben.
Schliesslich ist auch eine Digitalkamera im ersten Schritt analog. Die CCD Elemente speichern Ladungen, diese werden erst traditionell verstärkt und anschliessend durch einen Analog/Digital Wandler geschickt. Danach finden Schritte wie die Interpolation, Nahschärfen und Farbkorrekturen statt. Das ist digitale Verarbeitung, die nicht einmal zwingend in der Kamera stattfinden muss.
Zurück zum Thema. Ich mag missionarischer Eifer überhaupt nicht. Fühle mich oft persönlich angegriffen, merke, wie ich selbst auf Abwehrhaltung gehe. Einerseits gucke ich mir fasziniert die Bilder der Leute an, andererseits ärgere ich mich über den Ton, den diese Prediger anschlagen.
Das Arbeiten mit Film ist etwas Faszinierendes. Es unterscheidet sich grundlegend vom Arbeiten mit Bits. Wir haben technische Unterschiede wie ein anderes Kontrastverhalten, harte Grenzen, einer "Perfektion" von digitalen Bildern, die nicht immer passend ist. Wir wissen bei jedem Klick, dass unser Portemonnaie wieder etwas schlanker wurde. Und wer selbst einmal in der Dunkelkammer stand und zugeguckt hat, wie ein Bild entsteht, wird den Moment nie mehr vergessen.
Und doch ist die Digitalfotografie für mich eine pragmatische Lösung. Ich habe gewisse Grenzen in meinem Leben, die ich mir über die letzten Jahre aufgebaut habe, aufbauen musste. So habe ich einen 120% Job, bin ich täglich meine vier, fünf Stunden unterwegs. Gehe um 6:00 aus dem Haus, bin selten vor 20:00 zuhause. Da wartet eine Familie, die Zeit mit mir verbringen möchte und es nicht estimieren könnte, wenn Papi noch einmal eine Stunde in den Keller verschwindet um seinen Caffenol auszuprobieren.
Mit einer Digiknipse und einem Notebook im Rucksack kann ich mein Hobby auch unterwegs ausleben. Kann Bilder machen, die Resultate überarbeiten. Vielleicht hätte ja noch eine Entwicklerdose und einen Schluck Espresso Platz. Aber spätestens beim Scanner ist Schluss. Den hatte ich tatsächlich einmal mit dabei, jedoch verpackt und auf einem Wägelchen. Kein Ding, das einfach so mitkommen kann.
So ist Digitalfotografie für mich eine Chance, trotz den Grenzen um mich herum Bilder zu machen. Liebe Missionare - denkt an solches, wenn Ihr predigt. Nicht jeder hat die Möglichkeit, die Ihr habt, das Leben, das Ihr führt. Guckt ein wenig über den Tellerrand und akzeptiert, dass es Menschen gibt, die mit einer Digiknipse unterwegs sind und Freude an ihren Bildern haben. Mitfreude und Toleranz ist doch etwas, was unser aller Leben ein bisschen angenehmer macht!
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Re: Analog versus Digital
Geschrieben von Cmdr_Zod am
Montag, 19. Dezember 2011, 18:29
Kannst ja auf Film fotografieren, in der Dose entwickeln und dann mit Digiknipse + Dia-Vorsatz digitalisieren *scnr*
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Re: Analog versus Digital
Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Dienstag, 20. Dezember 2011, 08:48
Hmmnunja. Es gab da mal interessante Filme von Polaroid. 135/36, mit einer beigepackten Entwicklerkartusche. Das Gerätchen dazu war so eine kleine Box, vielleicht 5x5x12cm. Leider Geschichte.
Genauso die Diadupliziervorsätze von Hama, Revue, ... Ich hatte es leider verpasst, einen zu kaufen. Mittlerweile braucht man ein Makro (toir) und einen Eigenbau. Oder kennst Du eine bessere Lösung?
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