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 Unpersönlich 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Freitag, 6. November 2009, 19:03
aus dem *gleis-4-einfahrt-des-...* dept.

Im Zeitalter der MP3 Plärrer und Sprachsynthese habe ich den HB Zürich ganz besonders geschätzt. Egal woher ich kam und wohin ich fuhr, eine menschliche Stimme erzählte mir, wann und wo mein Anschlusszug zu finden ist.

Klingt vielleicht blöd: Aber für mich war das ein klitzekleines Bisschen Zuhause ankommen. Ein kleiner Schluck Menschlichkeit mitten in der anonymen Masse, in der Einsamkeit unter Menschenmassen an der Tagesordnung liegt.

Seit ein paar Tagen ist das Geschichte. Die Moderne hat auch im grössten Bahnhof Mitteleuropas Einzug gehalten. Vermutlich zum Monatswechel bekam auch der HB Zürich als letzter Bahnhof in der Schweiz eine synthethische Frau SBB, die auf Knopfdruck drei- oder viersprachig vor sich hin plaudert.

Wohl stand der Gedanke Pate, dass eine synthetische Stimme besser verständlich sein soll. Und gute Sprecher durchaus ihren Preis kosten. Nicht jeder Sprecher war allen Landessprachen und dem Englischen mächtig und so klangen die Ansagen manchmal überaus witzig. Und doch spürte man den Einsatz, den diese Leute jeden Tag brachten.

Ein Stück Menschlichkeit geht damit für mich in unserer hochtechnisierten Welt verloren. Dabei ist auch die Bahn, vielleicht sogar besonders sie, auf Menschen angewiesen. Die stählernen Züge würden nicht fahren, nicht sauberwerden und die Fahrgäste auch keine Tickets bekommen, wenn sich da nicht jeden Morgen Menschen aus dem Bett quälen und ihren Job machen. Nicht zu vergessen der Geleisebau, der im Gegensatz zum Strassenbau mit einer riesigen Portion menschlicher Kraft erfolgt.

Dieses Wissen um die Arbeit von Menschen, ihr Herzblut und ihren Einsatz ist in meinen Augen die beste Prävention gegen Vandalismus. Ich habe es oft erlebt, dass Benutzer mit ihren Geräten bedeutend schonender umgingen, sobald sie sich bewusst waren, dass das nicht einfach nur Kisten sind. Sondern Menschen dahinterstehen und Arbeit damit haben, das Ding im Schuss zu halten. Je unpersönlicher der Dienstleister sich hinter einem Gerät versteckt, desto weniger Wert hat dieses. Schade, dass das Management einer SBB den Weg geht und Distanz zwischen ihrem Personal und ihren Fahrgästen schafft. Sei es die undurchsichtige Wand zum Führerstand, die Reduktion der Schalterangestellten, aber auch eben das kleine Ding der persönlichen Ansagen in den Zügen und Bahnhöfen.

Bleibt noch der Bus nach Obstalden. Ein freundliches guete Abig oder vielleicht auch ein ja hoi. Mir wird dabei jeweils bewusst, wie sehr ich auf dem Land in den Bergen lebe und wie weit die Stadt weg ist.

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • Re: Unpersönlich
    Geschrieben von Cmdr_Zod am Samstag, 7. November 2009, 00:56

    Der Gleisbau passiert nicht nur mit viel menschlicher Kraft, sondern wohl recht häufig auch mitten in der Nacht, weil dann keine (oder weniger) Züge fahren. Vor ein paar Jahren kam ich spätabends am Bahnhof Wiedikon vorbei, wo gerade Gleiserneuerungsarbeiten im Gang waren.
    Erst sah das ganz gemütlich aus, eine Gleisstopfmaschine bewegte sich mit horrendem Lärm auf einem Gleis langsam durch den Bahnhof, und ein gutes Dutzend orange gekleideter Männer standen herum. Bis da entsprach es noch ziemlich schön dem Klische vom faulen Staatsbeamten.
    Kurz darauf wurden dann auf einem langen Zug Geleise angeliefert, und das Szenario änderte sich schlagartig. Rumgestanden ist da gar niemand mehr, es sei denn seine Tätigkeit erforderte das. Das meiste Material und Werkzeug hat wohl ein Gewicht, bei dem jeder Serverhersteller einen grossen Kleber anbringt, dass man es nur zu zweit anheben darf. Die späte Stunde und das Kunstlich macht das ganze nicht angenehmer, und wenn ich mich recht erinnere hat es auch noch angefangen zu regnen.

  • bekannt Re: Unpersönlich
    Geschrieben von Ron am Montag, 9. November 2009, 03:42

    In Genf war die Ansage auf dem Bahnhof durchaus auch auf (Hoch-!) Deutsch und auf Englisch, wenn ich mich recht erinnere.

    Bei meinen Verwandten in der deutschsprachigen Schweiz erlebe ich ja so eine gewisse Abneigung gegen (Hoch)deutsch. Sie sind aber höflich genug, es (wenn auch mit Schweizer Einschlag) zu sprechen, wenn sie mit *mir* sprechen. Glücklicherweise verstehe ich etwa 80 % vom Schwyzerdütsch, das sie untereinander sprechen. :-)

    Das (Hoch) schrieb ich in Klammern, weil ich ja durchaus deutsche Dialekte und eigene Sprachvarianten wie Pladdütsch, Friesk, Mecklenburgisch, Rheinisch, Badenserisch, Bairisch, Fränkisch, Hessisch (igitt) oder Sachländich (sic) relativ problemlos verstehe und zum Teil auch selbst sprechen kann.

    Sie müssten also gar nicht "hoch"deutsch (hannoveranisch) sprechen... aber je kan de Lüüd do unner bei de Berge trotzdem niet so gut verstaan. Dat is allwedder een anners Sprook dan we hebt tom Bespeel op Oostfreesland, wo ik mol he un do ben, mar je kan de Lüüd door ohm voorstaan, alldieweel 'ts mehr naarbei vun ons und dat es niet so fremd für de Berliner (weil wa ooch orntlé nidalendische Einschleeje ham in unsan Dialekt inne Schdatt)... Die da ohm snakken op Platt unn ook op Friesk, wobii dat Frieske allmeer harder te verstoon es dan Platt oder Hochdütsch.
    Aber: Wenn de Jejand int *Gölsche* fällt, issat woll füch misch no schwärrer, ett ze vechschtähen. Dat iss vechmutlisch de Dialeckt wo iss am schwächsten ze verschtähen för ooswörtsche Löite, nej.

    Oder?

    :-)

  • bekannt Ach, und noch was, Beat...
    Geschrieben von Ron am Montag, 9. November 2009, 04:26

    ...diese deine regionale Erkenntnis, dass die Menschen ihre Arbeits- und Transportmittel wertschätzen, ist leider nicht allgemeingültig.

    Anderswo wird auch viel bezahlt für Bahnen und Service, aber -das muss ich so sagen- der "Kunde" ist so asozial, es nicht zu würdigen, sondern Teile der "Kundschaft" zerstören oft und gern die Betriebsmittel der Bahnen.

    Da werden Scheiben von Waggons herausgetreten, Teile der Verglasung von Bahnhofstreppen zerschlagen (das kostet bei Verbundglas ordentlich Kraft!), Müll liegt auf den Bahnhöfen herum, Scheiben werden mit Hartmetall zerkratzt - von asozialen, oft jugendlichen Pennern, die erst später den rauhen Wind der Wirklichkeit abbekommen, in dem sie ihr jämmerliches Dasein fristen als Sozialhilfeempfänger oder Kriminelle.

    Und da seid Ihr Schweizer vielleicht noch etwas besser dran durch eine stärkere soziale Kontrolle und vielleicht auch durch härtere Strafen.

    Auch ich war manchmal deprimiert, vielleicht auch mal ordentlich betrunken, aber ich habe nie Einrichtungen beschädigt, verschmutzt oder zerstört. Somit kann ich nicht verstehen, warum das oft als Argument vorgebracht wird.
    Was soll es denn auch für Erleichterung bringen, wenn man einen Bahnwaggon demoliert?

    Da wünsche ich mir in .de richtig harte Strafen (nicht finanziell, die sind sowieso nicht beizutreiben) in Form von Zwangsdienstleistungen: Sollen die Randalierer doch mal einen Waggon wieder richtig auf eigene Kosten herrichten, das wird teuer und arbeitsam!

    Wer sich dann weigert (so Leute gibts ja) sollte rigoros verprügelt und zum Arbeiten gezwungen werden. Da nehme ich kein Blatt vor den Mund.
    Sie haben ja immerhin die Kraft zur Zerstörung gehabt... also haben sie auch die Kraft zum Wiederherrichten.

    Ron, heute wieder mal aktuell verärgert durch Vandalen

  • christof@buergi.lugs.ch Re: Unpersönlich
    Geschrieben von P2501 (Link) am Montag, 9. November 2009, 14:12

    Die synthetische Stimme im HB Zürich gibts nun schon ein paar Jahre. Nur holen die dort immer noch die Sprecherin, sobald mal etwas ausserplanmässig läuft. Und das ist in diesem Bahnhof ziemlich häufig. ;-)

    • mflo@gmx.ch Re: Unpersönlich
      Geschrieben von Flo am Dienstag, 10. November 2009, 02:45

      Die neue Kundeninformationssoftware wurde in der Nacht vom 02. / 03. November in Zürich HB aufgeschalten. Nun ist CH weit die selbe Stimme zu hören und die gesamte Kundeninformation wird mit einem System bewirtschaftet. Dieses System wird aber nach wie vor mehrheitlich von den selben Personen welche zuvor die Live Durchsagen gesprochen haben bedient, es sind also noch immer Menschen am Werk ;-)

  • Re: Unpersönlich
    Geschrieben von partim (Link) am Mittwoch, 18. November 2009, 06:59

    Ich fand die Ansagen in Zürich HB gelegentlich extrem unverständlich (natürlich gerade dann, wenn man sie mal gebraucht hat). Das hat sich mit dem Automat durchaus gebessert. Dafür kehrt aber die menschliche Ansage gerade jetzt in die SBB-Züge zurück. Zumindest solange, bis der Automat auch die Anschlüsse im Zug ansagen kann.

    Oh, und: Ein persönliches Grüezi miteinand gibt es regelmässig auch im Zürcher Tram. Hat also mit Bergen nur wenig zu tun.