Schuhloses Tanzen
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Mittwoch, 8. Juli 2009, 22:05
aus dem *umts-umts-umts* dept.
Diana schrieb: Und wie ist es, ohne Schuhe zu tanzen? Dem Wunsch komme ich gerne nach!
Hardcore Barfussläufer berichten gerne, dass es eigentlich keinen Grund gibt, Schuhe zu tragen. Dem muss ich doch ein bisschen widersprechen - gerade beim Tanzen :-)
Bei den klassischen Paartänzen hilft der Schuh, punktuelle Lasten zu verteilen. Seien es die vielen Ballenschritte bei den Latintänzen oder die teilweise üblen Verrenkungen im Standard. Es gibt Schritte in einem Quickstep oder Slowfox, bei denen man für kurze Zeit auf der Aussenseite des Fusses steht *urks*. Entsprechend dem Tanz haben angefressene Paartänzer auch unterschiedliche Schuhe: Für Latin eher eine weiche und flexible Sohle, Mädchen tragen eher Sandalen, für Standardtänze eine eher härtere Sohle und mehr Halt für den Fuss wie beispielsweise bei einem Pumps.
Priska, die mittlerweile zu den angefressenen Tänzerinnen gehört *zwinker*, kann ein Lied davon singen, wenn der Schuh zu wenig stützt. Mit einem Latin Schuh intensiv Standard zu tanzen führt gerne zu Schmerzen im Ballenbereich, ziemlich genau in der Mitte des Fusses. Da Tanzen aber durchaus Spass macht, ingnoriert man solches gefliessentlich :-)
In einem Rock'n'Roll hilft ein Turnschuh, die Schläge vom Fuss her etwas auf das Bein zu verteilen. Aehnlich dem Joggen. Gerade die ersten paar dutzend Stunden ist es durchaus angenehm, mit einem knöchelhohen Schuh zu trainieren. Irgendwann ist jedoch der Schaft im Wege und ein paar flache Halbschuhe kommen aus dem Schrank, bei den Mädchen meist klassische Ballerinas.
Bei den anderen Tänzen sollte ein bisschen Absatz sein, selbst bei den Jungs. Ab 2.5cm ist OK, je nach Grössenunterschied zwischen ihm und ihr darf ihr Schuh auch einmal 6 oder 7cm Absatz haben. Der Absatz verhilft dann und wann zu einer kleinen Ruhepause. Man ist in der Höhe, ohne gleich auf dem Ballen stehen zu müssen.
Ich habe mir schon bei einigen Partnerinnen meinen Mund fusselig geredet, bis sie sich dazu entschlossen, mit einem hohen Schuh zu tanzen. Die erste Reaktion ist ein aber ich kann doch nicht in hohen Schuhen gehen! Mädchen, das mag sein. Und Du bist damit nicht alleine. Die wenigsten Frauen können in hohen Schuhen gehen und dabei eine gute Figur machen. Aber Tanzen kannst Du! Selbst für den führenden Mann ist das bisschen Absatz einen Unterschied wie Tag und Nacht. Keine, die meinem Wunsch nach hohen Schuhen nachgegeben hat, bereute diesen Schritt.
Und gerade dieses Parkett hat es in sich: Man rutscht darüber. Bei einer Rumba verliert der Ballen nie den Kontakt zum Boden, bei einem Quickstep, Slowfox oder Walzer rutscht man mit leichtem Druck auf dem Absatz voran. Frauen drehen viel, ganz besonders in den schwungvollen Jives und Disco Swings.
Richtige Tanzschuhe haben dafür eine Sohle aus einer Art Wildleder. Mit einer Drahtbürste, die eklige Verletzungen an Fingern und Zehen verursacht, werden die Schuhe dann und wann aufgerauht. Der Schuh gleitet mit wenig Last, gibt Halt, sobald man richtig Druck gibt. Turniertänzer ölen ihre Sohlen noch ein klitzekleines Bisschen vor dem Einsatz. Es sind die Leute, die sowieso drei bis vier Paar Schuhe pro Saison durchlassen. So weit bin ich nie gekommen.
Sobald diese Symbiose zwischen Fuss, Schuh und Parkett gebrochen wird, ist der Tänzer erst einmal etwas ratlos. Zumindest war ich das vor gut einer Woche ;-) Viele gewohnte Elemente klappen nicht mehr. Ueber den Boden zu schleifen oder zu drehen ist nicht drinn. Vielleicht noch in einem Paar Socken, doch da fehlt dann wiederum der Halt beim richtig draufstehen. Hardcore Barfusstänzer verzichten daher meist auf die rutschige Unterlage.
Dafür wird eher auf dem Boden getanzt. Oder vielleicht besser umschrieben: In den Boden getanzt. Die Füsse richtig gehoben und bewusst abgestellt. Je nach Training sind auch viele Ballenschritte drinn, der Körper selbst bleibt aber am Boden. Mir ist rasch aufgefallen, wer mehr oder minder Routine im Barfuss Tanzen mitgebracht hat, der Stil unterscheidet sich grundlegend.
Mir ist auch aufgefallen, dass die Bewegungen von den Füssen in den Körper wandern. Eher einmal stehenbleiben, die Musik im Körper wirken lassen. Arme, Kopf, Brust und Bauch statt Schritt. Ganz anders als in den klassischen Tänzen, ja selbst in einer Disco, in der der Körper eher steif gehalten wird und die Bewegung mehrheitlich in den Füssen steckt.
Mein Gefühl dabei: Ich stehe so richtig auf der Erde, fühle mich mit ihr verbunden. Wie beim entspannt Liegen auf dem Boden spüre ich den permanenten Kontakt. Eine wohltuende Erdverbundenheit. Gemischt mit der Bewegung des ganzen Körpers. Die Symbiose zwischen Fuss, Schuh und Parkett wandelt sich in eine Symbiose zwischen Tänzer und Erde. Ein "ganzheitliches Tanzen" - welch gruslige Wortkombination. Ein grossartiges Gefühl, das sich bei mir in ein komplettes Fallenlassen in die Musik mischte. Ich war an dem Abend wie auf Drogen und fühlte mich einfach grossartig!
Etwas Ueben mach auch hier den Meister. Und wie in meiner Jugendzeit in den Discos hilft abgucken und selbst probieren. Da ist kein Tanzlehrer, der Dir sagt, was richtig ist - schliesslich gibt es auch kein "richtig" oder "falsch". Die Beweglichkeit der schuhlosen Füsse muss erst ein wenig in das Gefühl kommen, die Möglichkeiten damit ausgelotet werden. Damit wird sicherlich auch die Kraft und die Hornhaut wachsen, die für einen langen Abend nötig sind ;-)
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