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 Lettenviadukt 
WG-Zimmer Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 13. August 2008, 11:41
aus dem *tropf-tropf-tropf* dept.

Was macht ein Beat um 18:20 in Zürich, wenn es einfach nur regnet, regnet und regnet? Er ignoriert das Wasser und guckt sich etwas an, das er schon lange einmal sehen wollte.

Reist man mit der S14 von Oerlikon in den HB, so sieht man auf dem Trassee der ehemaligen Goldküstenlinie Leute laufen. Ein Ort, an dem klein-Beat vor 20 Jahren nicht hinkam, also etwas Neues für gross-Beat.

Ich packte mich gut ein und verliess den Hauptbahnhof in Richtung Zollstrasse. Durch eine mehr oder minder abgefuckte Gegend marschierte ich Richtung Hardplatz, unter anderem traversierte ich die Langstrasse. Eine der Gegenden in Zürich, in denen man nicht wohnen will, sondern eher muss...

Nach einem längeren Weg durchs Grüne erreicht man die Viaduktstrasse, über die die beiden Linien nach Stadelhofen und Wipkingen verliefen. Das Viadukt ist aktuell eine lange Baustelle, die Anfang nächstem Jahr einen Weg für Menschen und Tiere vom Hauptbahnhof zum ehemaligen Lettengelände bilden wird.

Ab der Limmatstrasse ist das Bahntrassee begehbar. Eine Treppe führt in die Höhe und der Weg kurz darauf über die Limmat. Auch wenn ich weiss, diesen Weg ein paar Mal mit dem Zug gefahren zu sein, so war der Ausblick gestern Abend doch etwas Neues für mich. Zu lange ist das her, das klein-Beat mit dem Goldküstenexpress Richtung Rapperswil fuhr.

Eine langgezogene Rechtskurve später erreicht man das Lettenareal mit dem ehemaligen Bahnhof Zürich Letten. Die Erinnerung an die Fernsehbilder aus der Zeit der Drogenszene passen so gar nicht an den schon fast idyllischen Ort.

Da, wo der Zug früher in das Tunell Richtung Stadelhofen verschwand, wechselte ich über den Drahtschmidlisteg zum Platzspitz. Wer von den Jugendlichen im Dynamo erinnert sich noch daran, dass dieses heiss umkämpfte Haus einmal Drahtschmidli hiess? Im Gegensatz zum Lettenareal kenne ich den Platzspitz zusammen mit der damaligen Drogenszene persönlich - ein paar Mitschüler in der Berufsschule hatten mehr oder minder gute Kontakte in die Szene und ich zog mit ihnen einen Nachmittag durch den Park. Entsprechend tief steckt auch das ungute Gefühl, wenn ich mich jeweils durch den Park bewege - ganz besonders an Tagen wie gestern, wo sich niemand freiwillig im Park aufhielt und diejenigen, die es doch taten, einen sehr geschäftigen Eindruck hinterliessen.

Vorbei am Bahnhof, übers Limmatquai. Ich traute mich schon nicht mehr, mit meinen tropfnassen Hosen in einen Zug oder ein Tram zu steigen. Beim Bellevue die nette Baustelle an der Quaibrücke angucken. Sind das tatsächlich schon über 20 Jahre, dass sich klein-Beat die Verschiebung der Quaibrücke live angeguckt hat?

Danach kommt schon der Stadelhofen, das Ende der 1989 stillgelegten Strecke. Das Tunell zwischen Letten und Stadelhofen war einsturzgefährdet, die diversen Partybetreiber und Champignonzüchter waren allesamt nicht in der Lage, die notwendigen Sanierungsarbeiten daran zu finanzieren und so füllte die SBB vor kurzem das Loch mit Kies auf. Die Güterzüge, die ab und zu durch den Bahnhof Museumsstrasse fahren, sind Zeuge dieser heute fehlenden Verbindung.

Die letzte Etappe, vom Stadelhofen in den Tiefenbrunnen, machte ich am See entlang. Weg sind die Strassenhändler und die Sonnenhungrigen, die vor wenigen Tagen noch da waren - nur ein paar wenige Spinner wie ich trauten sich bei dem Wetter überhaupt nach draussen. Hier, an der Seepromenade, etablierte sich kurz nach einer Leistungsschau der Armee zum ersten Mal eine offene Drogenszene in Zürich. Ich erinnere mich gut, dass der Spaziergang zwischen Düsenjäger und das viele Grün für mehrere Jahre das letzte Mal war, dass ich durch diese Anlage ging. Vor allem erinnere ich mich daran, dass eben diese Präsentation einer der Gründe war, warum ich mit 19 unser Militär noch für eine gute Sache hielt *schauder*

Danach das grosse Auspacken und trocknen: Alles an mir triefnass, das Notebook als einziges noch trocken. Es schwamm förmlich im Rucksack, zum Glück noch einmal eingepackt in eine Neoprentasche. Die Wäsche kam auf den Dachboden, das Handy auf die Heizung (es tut noch *freu*), die Schuhe stehen noch immer ausgestopft mit einer 20 Minuten in der Ecke.

Ich bin fasziniert darüber, wie viel Grün in der Stadt noch bzw. wieder vorhanden ist - allerdings an Orten, wo ich als "Eingeborener" wohl nie hingehen würde. Viele Erinnerungen sind da, an Bilder, die uns Fernsehen und Zeitungen über Jahre hinweg frei Haus geliefert haben. Ist es verwunderlich, dass an schönen Tagen die wenigsten an der Seepromenade schweizerdeutsch reden?

Genauso bin ich fasziniert darüber, wie viel Spass mir die zwei Stunden im Regen machten. Nach einer halben Stunde waren die Hosen nass, nach einer guten Stunde liess die Jacke durch, kurz vor dem Tiefenbrunnen waren dann auch die Schuhe voll. Trotzdem habe ich mich einfach nur gut gefühlt, die zwei Stunden frische Luft so richtig genossen. Irgendwie habe ich es in den vergangenen Jahren nie so richtig hinbekommen, Dreckwetter zu geniessen - wahrscheinlich sind mir die jeweils vorhandenen Verpflichtungen im Wege gestanden. Wer geht schon gerne nass bis auf die Unterwäsche unter Leute?

Alle Teile unter WG-Zimmer.

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