Elektrische Tigerlis
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Samstag, 19. Juli 2008, 19:01
aus dem *sprazzel-und tschu-tschu* dept.
Es gibt Leute, die bezeichnen mich als Ferrophil, auch wenn ich mich gegen eine solche Bezeichnung wehre. Ich interessiere mich bestenfalls für das komische Zeugs, in dem ich täglich zwei bis drei Stunden verbringe und fahre nicht mit dem Auto stundenlang irgendwelchen Fototerminen nach. Trotzdem gibt es Dinge, die mich besonders faszinieren. Gehen wir für einmal in die Vierziger zurück.
Die Kriegsjahre stellten ein paar besondere Herausforderungen an die SBB. Kohle war teuer, der Bau von neuen Lokomotiven aufgrund von Material- und Personalengpässen stark beeinträchtigt. Eine der verrückten Ideen von damals war das Umrüsten von Tigerlis, kleinen dreiachsigen Rangierlokomotiven, auf elektrische Beheizung. Die meisten Quellen sprechen von zwei, eine von vier entsprechend umgerüsteten Lokomotiven.
Foto von mece.ch
Die Sursee-Triengen Bahn, welche eine wieder auf Kohle umgerüstete derartige Lokomotive besitzt, beschreibt detailliert den damaligen Aufbau:
Das Wasser wurde aus dem tiefsten Punkt des Kessels entnommen, durch Umwälzpumpe durch die beiden Verdampfer getrieben und als Dampf mittels Rückleistungen in den Dampfraum des Kessels zurückgeführt. Da der Heizstrom direkt durch die Heizrohre der Verdampfer geleitet wurde, durfte die Spannung nur etwa 20 V betragen; die Stromstärke erreichte deshalb bei einer Leistung von 480 kW für jeden Verdampfer eine Höhe von 12'000 A. Die durch jede Einheit zirkulierende Wassermenge betrug 5 l/sek, aus der je 300 kg Dampf von 12 Atmosphären Druck stündlich erzeugt wurden. Die Regulierung der Dampferzeugung erfolgte lediglich durch Speisung des Kessels mittels der Injektoren, sonst musste der Strom für kurze Zeit unterbrochen werden. Um auch Gleise ohne Fahrleitung während mehr als 20 Minuten bedienen zu können, wurde ein kleines Kohlenfeuer im Kessel unterhalten.
Laut Wikipedia bringt ein Tigerli rund 300 PS, was gemäss Umrechner 220kW entspricht. Die Lokomotiven hatten also einen Wirkungsgrad von knapp 50% - durchaus typisch für eine thermische Krafterzeugung, aber völlig daneben im Vergleich mit einem Elektromotor. Entsprechend existiert keine solche Lokomotive mehr, uns bleiben ausschliesslich ein paar Fotos.
e3_3_8522_electric.jpg
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