Wahlkampf
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Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Samstag, 20. Oktober 2007, 22:02
aus dem *grüebechöpf* dept.
Morgen ist er vorbei - der Wahlkampf. Und wir sollten ein neues Parlament zusammenhaben. Etwas von Links, vielleicht auch etwas von Rechts, ein wenig grün und allenfalls eine dünne Mitte dazwischen.
Schon das Wort Wahlkampf sollte einem zu denken geben. Eigentlich gehören Menschen gewählt, die gut sind - nicht die, die dafür kämpfen. Das ist wie um den Frieden kriegen oder für die Jungfräulichkeit bumsen.
Ich werde nicht zu denen gehören, die von ihrem Wahlrecht gebrauch machen. Und das mit Ueberzeugung. Warum soll ich Leute wählen, von denen ich vielleicht gerade einmal das Gesicht auf einem Plakat herunterlachen sehe?
Mir fehlt die Zeit, während der Session dem Geschehen im Parlament zu folgen. Einerseits gibt es kaum noch eine Zeitung, die einigermassen neutral daraus berichtet - andererseits habe ich schon im Job enorm viel zu lesen und zu lernen, dass "die von Bern" extrem weit weg sind.
Die Wahl nach Partei kommt für mich auch nicht in Frage. Ich fühle mich von keinem Parteiprogramm wirklich angesprochen. Bin ich doch für eine freie Wirtschaft, aber einen starken Sozialstaat, der den Menschen, die in der Wirtschaft keine Existenz mehr finden, ein Leben bietet. Sehe ich mich als ausländerfreundlich, aber als EU-Beitrittsgegner. Und dann bin ich weder wirklich grün, noch für einen grenzenlosen Ausbau der Strassen. Für einen bewussten Umgang mit der Ressource Energie, aber auch für den Bau eines AKWs. Kompromisse sind gerade in den letzten Bereichen wichtig und doch so selten.
Wenigstens gab es ein paar Kandidatinnen, die nackte Tatsachen zeigten. Alleine schon der Mut, auf einer Migros Werbung Unterwäsche zu zeigen, gehört eigentlich belohnt. Aber genaugenommen zeigt auch das nicht mehr als ein Bild im Deux-Piece oder der Krawatte. Und ein Bild wird nie zeigen können, was die Person in Bern für mich machen wird. Keiner hatte den Mut, sich beispielsweise bei seinem täglichen Arbeitsweg ablichten zu lassen. Oder am Abend, im Ausgang. Fotos müssen "schön" sein.
Zwei drei Politiker kenne ich persönlich. Ich würde ihnen meine Stimme geben, auch wenn sich unsere Vorstellungen über den zukünftigen Weg der Schweiz nicht wirklich decken. Aber ich habe bei ihnen das Gefühl, nicht nur einen Namen aufzuschreiben, sondern einem Menschen eine Stimme zu geben. Aber - sie leben in anderen Kantonen oder sind gar nicht zur Wahl gestellt.
Irgendwann wird die Euphorie vorbei sein, die Wahlversprechen müssen eingelöst werden. Es werden Beschlüsse gefasst, Gesetze erlassen. Und in diesem Moment bekomme ich noch einmal eine Chance. Nicht zu einem Kopf, einem Bild "Ja" oder "Nein" zu sagen, sondern zu einem Sachgeschäft, dessen Tragweite ich für mein eigenes Leben und das meiner Familie abschätzen kann. Habe ich schon geschrieben, dass ich unsere Demokratie einfach toll finde?
Auf alle Fälle freue ich mich, wenn die Plakate endlich unten sind und die allgemeine Hetze der vergangenen Tage der Vergangenheit angehört.
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