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 Airport 
Labberfaselbla Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 10. Juli 2007, 15:18
aus dem *alte-schinken* dept.

Irgendeine Witzelei war das. Wir plauderten über alte Filme, die Marius ganz bestimmt noch nie gesehen hat. Da war doch die Airport Serie. Tja, die gibt's mittlerweile auf DVD und wir guckten gestern Abend den ersten Film.

Ein typischer amerikanischer Katastrophenfilm. Das Wetter passend zum aktuellen Juli, bekannte Gesichter, ein Böser der stirbt und der eine oder andere Held, der siegt. Wie Erdbeben oder den Film mit dem umgekehrten Schiff, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere. Kino zum Zurücklehnen und geniessen ;-)

Der Film kann aber auch aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet werden: Als Abbild der sozialen Strukturen in den späten 60ern und frühen 70ern.

Fünf Frauen werden porträtiert - die Frau und die Geliebte des Flugkapitäns, die Frau und die Arbeitskollegin des Flughafenleiters und die Frau des Attentäters. Die Emanzipation hat vielleicht schon etwas um sich gegriffen, die "brave" Frau ordnet sich aber noch immer ihrem Mann unter und tut, was er sagt. Er aber unterhält die Familie, schlägt sich durch das Berufsleben. Manch eine Frau macht Karriere, bleibt aber immer noch Frau. Deux Piece, Strümpfe und hohe Schuhe trotz Schneetreiben, eher niedere Arbeiten ohne leitende Funktionen. Treten grössere Probleme auf, so muss mann aushelfen.

Die Arbeit sicher herausfordernd und lang, doch bleibt immer wieder einmal etwas "Luft" um sich auszutauschen. Man hilft sich gegenseitig aus - auch unter Konkurrenten. Ich arbeite heute wohl in einem ähnlichen High-Tech Bereich, wie es die Fliegerei vor 35 Jahren war und ich habe diese Luft nicht mehr zur Verfügung. Der Betrieb muss rentieren und jede Hilfe an einem Mitbewerber steht ausser Diskussion. Wenn etwas veröffentlicht wird, dann nur Informationen, die die eigene Fähigkeit unterstreicht, aber der Konkurrenz nichts helfen. Der Druck auf alle Beteiligten in einem Betrieb ist heute bedeutend grösser, der Kostendruck enorm und das Zwischenmenschliche ist unter den Tisch gefallen.

Selbstverständlich durfte damals geraucht und getrunken werden. Ja selbst in einem Hangar, vor einem havarierten Flieger gehört eine Zigarette oder eine Zigarre dazu. Und auf das Glas Whisky zum Sandwich in der späten Ueberstunde musste nicht verzichtet werden.

Früher war alles besser(?) Ich glaube nicht. Nicht nur. Schon gar nicht wenn ich mir die heutige "Postition der Frau" angucke - da hat sich viel Gutes getan. Die Möglichkeiten der Kommunikation, die vielen in der Zwischenzeit abgelegten Regeln zum Zusammenleben. Andererseits ist - vor allem in den hektischen 90ern mit dem Wandel vom langfristigen Denken über das gewinnoptimierte Wirtschaften zum Shareholder Value - viel Menschlichkeit verloren gegangen.

Ich habe am Ende der 80er noch etwas von diesem Arbeiten mitbekommen. Vom gemütlichen Schwatz zusammen, aber auch vom selbstverständlichen Zusammenstehen und Anpacken bei Problemen. Heute sehe ich den Druck, die Unzufriedenheit vieler Leute mit ihrem Job. Ich sehe all die Kampftrinker, die sich am Wochenende die Birne füllen. Leute, die überfordert sind - Leute, die irgendwie versuchen ihren stinklangweiligen Tag über die Runden zu bekommen. Ich sehe auch Chefs, die sich im Falle von akuten Problemen nicht auf ihre Leute verlassen können. Da sind wir auf alle Fälle in eine Sackgasse geraten, von der ich überzeugt bin, dass es früher besser war. Und froh bin, dass wir mit solch alten Filmen einen Blick in eine andere Zeit werfen können.

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