Take the Lead

Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Montag, 9. April 2007, 11:17 aus dem *neue-Filme* dept. Die ungeschickte Caitlin steht ganz verloren im grossen Saal von Pierre's Tanzschule. Sie hat Angst vor dem Debütieren, für das ihre Mutter doch so viel Geld investiert hat. Süsse, wenn Du das nicht willst, warum sagst Du Deinen Eltern dann nicht, dass sie den Ball absagen sollen? Sie guckt lange einem Tango tanzenden Paar zu, und spricht leise: Ich wuerde ja wollen, wenn ich mich so bewegen koennte. Lange Pause. Das ist wie Sex auf dem Parkett. Die Geschichte von Dance! bzw. Take the Lead im Englischen ist wie bei allen Tanzfilmen schmalzig und etwas an den Haaren herbeigezogen. Hier empfand ich die Unwirklichkeit doch als äusserst extrem - Jungs und Mädchen im Teeniealter aus der New Yorker Gosse zu ziehen und ihnen mit Tanzen ein neues Leben zu eröffnen dürfte ganz klar im Reiche der Fantasie zuhause sein. Tatsächlich hat der echte Pierre Dulaine nicht mit Oberstufenschülern, sondern mit Primarschülern gearbeitet - einem Alter, in dem die Jungs und Mädchen noch viel einfacher für etwas zu begeistern sind. Der ganze Film lebt von einer Szene. Die blonde Morgan betritt den Nachhilferaum mit den meist schwarzen Schülern, legt eine CD in den Player und tanzt mit Pierre einen absolut heissen Tango. Für zwei Minuten und vierzig Sekunden bleibt die Welt stehen, alle gucken nur auf das Paar, das mit Inbrunst tanzt. Ich konnte nie so tanzen. Ich werde es wohl auch nie mehr können - dafür bin ich mittlerweile schlicht zu alt. Tanzen ist wie Sex war für mich nie der Vergleich, den ich ziehen konnte, schon gar nicht aus der Sicht eines Aussenstehenden. Sicher hatte - und habe - ich Freude am Tanzen, komme meinen Partnerinnen oft äusserst nahe. Doch der letzte Schliff fehlt, das so gut Tanzen können, dass man sich völlig fallen lassen kann. Es bleibt für mich ein Flirt. Die positiven Eigenschaften, die das Tanzen mit sich bringt, kann ich nur bestätigen. Nebst dem eigenen Körpergefühl und dem Gefühl für Musik lernt man auch einen Umgang mit dem anderen Geschlecht. Pierre beschreibt das vor einer Elterngruppe mit den Worten: Wenn sie mir erlaubt, sie zu führen, dann vertraut sie mir. Aber noch mehr - sie vertraut sich selbst. Wenn ihre 16 jährige Tochter stark ist und sich selbst vertraut, wie wahrscheinlich ist es, dass irgend ein Dummkopf sie schwängert. Und wenn ihr Sohn lernt, ein Mädchen respektvoll zu berühren, wie wird er wohl Frauen sein Leben lang behandeln. Ich habe viel aus meiner intensiven tänzerischen Zeit zwischen 17 und 24 mitgenommen. Ein Gefühl für Musik, das mir 10 Jahre Musikschule nicht mitzugeben schaffte. Ein Körpergefühl, das ich über keinen anderen Weg hätte bekommen können. Und einen respektvollen, aber angstlosen Umgang mit Frauen. Genauso sah ich auch die grosse Schwelle, die es bedeutet, mit Tanzen zu beginnen. Für mich war es damals keine - ich stieg in einen Grundkurs ein und ging noch am selben Abend an die Tanzparty. Aber ich scheine damit einen Ausnahmefall zu sein, die meisten Leute tun sich extrem schwer, diesen ersten Schritt zu tun. Noch viel schwerer ist das Durchhalten, aber das ist eine andere Geschichte. Ich habe auch erlebt, dass Aussenstehende mein Tanzen wie Sex auf dem Parkett erleben. Auch wenn es das für mich nie der Fall war, so gab es dennoch das eine oder andere Problem damit. Ob ich den Einstieg zum intensiven Tanzen jemals wieder finden werde? Ich weiss es nicht. Eigentlich steht viel zu viel im Wege. Job, Familie, Arbeitsweg... Aber dennoch kommt immer wieder einmal der Traum hervor, wieder richtig einzusteigen, mit einer gewissen Regelmässigkeit aufs Parkett zu treten. Permalink

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