DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
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Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am
Montag, 7. August 2006, 14:15
aus dem früher-wars-anders dept.
Wer erinnert sich noch an die 80er Jahre. An die Zeit vom Platzspitz, Heroinspritzen, Drögeler und die ganze Zeit die damals war. Sicher der eine oder andere. Und wer kennt noch das Buch von Christiane F., die ihren Untergang in der Heroin-Szene in Berlin beschreibt.
Dieses Buch wurde verfilmt und ebendiesen Film haben wir uns angeschaut. Glücklicherweise noch ohne Kinder (ist sowieso erst ab 16 freigegeben). Ueber den Film möchte ich gar nicht viel berichten. Ich fand ich nicht sonderlich gut, wer sich fürs Thema interessiert, liest besser das Buch. Näher eingehen möchte ich auf die anschliessende Diskussion.
Als Mutter ist man bei solchen Filmen oder Bücher wohl hypersensibilisiert. Was wenn das beim eigenen Kind geschieht? Würde man es rechtzeitig merken? Was müsste man tun?
Wirklich zu einer Lösung kam unsere Diskussion nicht. Es kann immer passieren, dass ein Kind abrutscht. Falsche Gesellschaft und schon ist es passiert. Dann als Mutter (oder Vater, oder Verwandter oder...) reagieren und nicht die Augen davor verschliessen ist wohl das Wichtigste. Das Kind regelrecht aus seinem sozialen Umfeld reissen (welches ja eben die "falsche" Szene ist) und es woanders hinbringen, damit es überhaupt aus dem Teufelskreis rauskommt.
Ich sehe heute auch nicht mehr unbedingt Heroin als den Teufelskreis. Es gibt heute wohl wesentlich weniger Heroin-Junkies, als dies zu meiner Jugendzeit war. Heute sind die gefährlichen Drogen die Partydrogen. Ecstasy oder Kokain, aber auch Amphetamine sind sicher bekannte Mittel. Der Vorteil gegenüber Heroin dürfte vorallem sein, dass man die inzwischen leichter und günstiger bekommt, was die ganze Beschaffungskriminalität senkt. Die meisten Drogenkonsumenten können daher noch einer Arbeit nachgehen. Ob man das dennoch bereits als Abrutschen in eine Szene betrachten will oder nicht, ist dann eben bereits Ansichtssache.
Soll man ein Kind (zur Klarstellung ich sprech hier von 14-16jährigen) aus dem Umfeld reissen, nur weils am Wochenende Ecstasy konsumiert? Wär das nicht schon fast mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Eine schwere Entscheidung. Und ich bin mir noch unsicher, wie ich in dem Moment reagieren möchte. Es sind ja nicht immer nur Drogen, die ein Kind in Schwierigkeiten bringen kann. Ich denk da auch an den Drang sich einer Gruppe anzugleichen und dadurch Dinge zu tun, die man sonst vielleicht nicht tun würde. (Viel) Alkohol konsumieren, Zigaretten rauchen, Ladendiebstahl, etc. Und es ist normalerweise in den meisten Gruppen nicht mal ein Gruppendruck da. Vorallem bei Ziagrettenrauchenden und Drogennehmenden ist es doch eher so, dass man durchaus dabeisein darf, ohne die Droge zu nehmen. Druck entsteht höchstens im eigenen Kopf. Man will dabeisein (dabei ist es doch gerade Stärke, wenn man nein sagen kann, wenn man es nicht will?)
Wie also stärkt man sein Kind, dass es in solchen Szenen bestehen könnte, ohne sich abhängig zu machen? Vielleicht sogar selber von der Szene weggehen, weil es der falsche Umgang ist? Diese Angst, den Moment nicht zu erkennen, weil ich z.B. gar nicht zuhause wär, hält mich nach wie vor davon ab, auch nur Teilzeit zu arbeiten. Und doch bleibt die bange Frage - wie stark sind die Kinder?
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Re: DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Geschrieben von anke am
Montag, 7. August 2006, 20:52
die angst aller eltern. wie man sie stärkt? indem sie von anfang an auch zu hause 'nein' sagen dürfen, indem sie sich gegen unerwünschte schlabberküsse von der patentante verweigern dürfen. indem sie von kleinauf lernen, dass sie eigenständige persönlichkeiten sind die selbst über sich entscheiden dürfen. personen, deren 'nein' akzeptiert wird. dann fällt es auch leichter, draussen 'nein' zu sagen. es ist nicht immer bequem, mit starken kindern zu leben *gg* - aber für die kinder ist es lebenswichtig.
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Re: DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am
Montag, 7. August 2006, 20:57
*kopfnick* und doch immer bleibt eine gewisse Angst, dass es nicht reicht...
unerwünschte schlabberküsse von der patentante
oh ja! Das war bei uns immer der Fall, dass das verweigert werden durfte. Ist ja eklig sowas. Und Beni ist momentan in einer Phase wo er auch von der Grossmutter nicht gekuesst werden will. Sie akzeptiert das zum Glueck - Danke Mami!
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Re: DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Geschrieben von Monique am
Dienstag, 8. August 2006, 08:56
den richtigen zeitpunkt zu sehen ist sehr schwer. den meistens sehen das aussenstehende eher als die eltern. du kannst nur hoffen, dass sowas nie passiert, wie bei uns. auch ich danke Dir.
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Re: DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Geschrieben von anke am
Dienstag, 8. August 2006, 10:34
ich hab eine freundin bei der polizei - drogendezernat. und natürlich hab ich mit ihr auch darüber gesprochen.
es trifft familien aller schichten. was hilft: stark machen, aufklären und glück. es gibt leider kein patentrezept. und es ist völlig egal, ob die mütter zu hause sind oder vollzeit jobben. in DEM moment, sind die kids eh nicht daheim und wären sicher nicht bereit, mit den eltern darüber zu reden ...
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Re: DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Dienstag, 8. August 2006, 10:58
...wie man sie stärkt?
Ich glaube je länger je weniger, dass Resistenz gegenüber Drogen mit Stärke zu tun hat. Provokative Aussage, ich weiss ;-)
Jeder von uns lebt in einem sozialen Netz und nimmt die Umgangsformen und Gebräuche eben dieses bis zu einem gewissen Grad an. Ob das nun die Sprache, Risikobereitschaft, Umgangsformen sind oder eben auch der Umgang mit Suchtmitteln.
Es liegt wohl in der Natur des Menschen, sich seiner Umgebung anzupassen. Damit wird letztendlch überhaupt ein Zusammenleben möglich. Ein Haufen individueller Anarchisten wird nie eine stabile Gemeinschaft bilden können.
Ein nein, danke ist etwas, was man einer direkten Frage entgegensetzen kann. Beispielweise einem nimm doch auch ein Glas und stosse an. Wie oft habe ich diesen Satz in den vergangenen Jahren schon hören müssen? Man kann das nein auch bei einem willst Du auch einen Zug sagen. Ein Satz, den ich im ganzen Leben bestenfalls eine Hand voll Male hörte.
Diese Stärke ist aber etwas, was einem bei dem Eingliedern in eine Gruppe nicht hilft. Wer hinterfragt die Verhaltensmuster einer Gruppe, kann so weit neben sich stehen, dass er diese objektiv beurteilen kann? Das ist eine Fähigkeit, die meiner Erfahrung nach sehr selten ist und meist erst nach Jahren kommt.
Kinder sind normalerweise überaus naiv und nehmen fremde Verhaltensmuster ungefragt an. Etwas, was uns "Erwachsenen" and Kindern doch an und für sich so zusagt. Sie könen auf andere zugehen, voll mitgehen, das Leben geniessen. Sobald sie beginnen, Fragen zu stellen, ist es aus mit dem "Kindsein".
Die einen Kinder sind eher introvertiert, gehen ihren eigenen Weg, stützen sich nicht auf andere ab. Entsprechend sind sie in der Lage, sich individuell zu geben, sich nicht unbedingt allen Verhaltensmustern einer Gruppe anzupassen.
Andere Kinder sind permanent auf der Suche nach Kollegen, Animation, einer Gruppe in der sie geborgen sind. Der Wunsch nach dazugehören ist so stark, dass Verhaltensmuster ungefragt übernommen werden. Es kommt gar nie zur Situation, dass das Kind nein sagen muss - weil es gleich von sich aus all das will was die anderen auch haben und tun.
Ich bin überzeugt davon, dass dieses Suchen nach Kontakt ein Charakterzug ist, der nur sehr wenig bis gar nicht mit der Erziehung zu tun hat. Bei uns Eltern sehe ich die Aufgabe, unsere Kinder einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Wissen, mit wem unsere Kids unterwegs sind und dann, wenn ein Problem auftaucht, es gleich auf das Tapet zu bringen. Letztendlich das Tun des Kindes so weit zu hinterfrage, wie es selbst noch nicht dazu in der Lage ist.
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Re: DVD - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am
Dienstag, 8. August 2006, 10:36
Wir haben in den vergangenen 16 Monaten einfach zu viel gebloggt ;-) Ich las das Buch Wir Kinder vom Bahnhof Zoo im letzten Herbst - zusammen mit dem Drogenbuch, das Beni wohl aus Versehen aus der Bibliothek gebracht hatte. Ich machte mir schon damals meine Gedanken dazu, wenn auch etwas in eine andere Richtung.
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