Geschlossene Gesellschaft
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Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am
Sonntag, 26. März 2006, 14:40
aus dem reich-schön-tot dept.
Eine Bekannte von uns ist Dramaturgin in einer freien Theatergruppe und so kamen wir gestern zu einem kulturellen Abend.
Die Gruppe ProjektN nahm Sartre's Geschlossene Gesellschaft als Grundlage und hat über die letzten zwei Jahre eine eigene Interpretation geschaffen.
In einem schneeweissen Bühnenbild erzählten drei weissgekleidete Frauen ihre Geschichte. Im Gegensatz zum Original, sind sie nicht tot, sondern aufgrund eines nichterkennbaren Grundes zusammen eingeschlossen. Jede ist draussen eine grosse Zicke, bringt ihre dunklen Seiten mit, hat Männergeschichten. Jetzt sind aber keine Männer da und die drei beginnen auf sich selbst herumzuhacken. Sie erkennen die Schwächen der Anderen und nutzen diese schamlos aus.
Während Sartre die Leute wirklich tot sein lässt, spielen die Leute von ProjektN auf das innere Totsein an. Auf die Unfähigkeit sein Leben im Griff zu haben und etwas daraus zu machen. Auf die äusseren Zwänge, die einem oft enorm wenig Spielraum lassen. Auf das Gefangensein im eigenen Sein.
Die einzelnen Szenen sind wunderbar gespielt und kommen sehr eindrücklich an. Das kleine Theater auf der Werdinsel mit vielleicht 60 Plätzen schafft eine sehr intime Atmosphäre. Man erkennt die Schauspieler als Menschen und kann ihrer Mimik gut folgen. Zwischen den Szenen fehlte oft die Verbindung, ein roter Faden. Viele der Gedanken, die sich die Leute beim Aufarbeiten des Textes gemacht haben, kamen erst bei einem nachträglichen Gespräch zutage.
Freies Theater ist kein Hollywood, entsprechend können sich die Leute aber auch viel mehr Freiheiten lassen. Für den Zuschauer heisst das, dass er selbst gefordert ist und dass er sich nicht einfach nur zurücklehnen kann. Die persönliche Atmosphäre schafft Raum um nach der Aufführung mit den Leuten zu plaudern, was beiden Seiten sehr viel bringt.
Beat: Ich finde die Arbeit dieser Leute faszinierend. Es ist etwas komplett anderes, als die Welt in der ich mich normalerweise bewege. Die Teilnahme an einem solchen Theaterstück kostet jedoch sehr viel Zeit und Energie, die ich im Normalfall neben meinem 120%-Job nicht aufbringen kann. Irgendwodurch schade, aber auch ich bin in meinem Leben gefangen und kann nicht alles haben.
Priska: Es ist wohl das erste Mal seit meiner Kindheit, dass ich in einem Theater war. Schon das ist ein eindrückliches Erlebnis für sich. Dass ich das Stück einigermassen begriff hat mich noch mehr gefreut - hatte ich bisher immer eher den Hang zu "Mainstream" und "seichtem TV". Diese neue Welt ist sehr faszinierend - aber wie Beat schon schreibt auch zeit- und gedankenintensiv. Was ich für mich wichtig finde, ist das Gespräch nachher mit den Theaterschaffenden um sich auszutauschen. Wie kam das Thema bei mir an und - mindestens so wichtig - wie hätte es aus deren Sicht ankommen sollen. Daher wird es für mich wichtig bleiben, nachher solchen Kontakt haben zu können und nicht irgendwie in ein grosses Theater zu gehen und nachher auf mich gestellt zu bleiben, ob ich deren Interpretation richtig aufgenommen habe.
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