0x1b - ESCAPE
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 Bob & Carol & Ted & Alice 
Labberfaselbla Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 5. März 2006, 12:55
aus dem dvd dept.

Gestern Abend nach dem Einkaufen und Abendessen den Film Bob & Carol & Ted & Alice.

Der Film entstand 1969 mitten im Flower Power Rausch und mutet uns 37 Jahre später doch sehr speziell an. Entsprechend kommt auch zwischen der auf DVDs üblichen Rechtsmittelbelehrung betreffend Copyright und dem Hauptmenü noch einen Text, in dem sich die Sony Pictures Home Entertainment explizit vom Inhalt des Filmes und der Aussagen distanziert.

Die Story ist relativ seicht. Bob und Carol wie auch Ted und Alice sind zwei verheiratete Paare mit je einem Kind. Beide Paare sind befreundet und treffen sich periodisch. Im Gegensatz zum typischen Flower Power der Sechziger ist Geld vorhanden. Viele Szenen spielen in teuren Restaurants, einem Hotel in Las Vegas, an Swimming Pools oder in teuren Autos.

In einer Szene spielen auch Drogen eine Rolle. Wenn ich nicht einmal pro Woche fliege, geht es mir nicht gut kommentiert Carol ihr tun.

Zu Beginn des Filmes besuchen Bob und Carol einen zweitägigen Seminarmarathon, in dem unter der Anleitung eines Leiters Selbstfindung in einer Gruppe betrieben wird. Man soll lernen, sich und seinen Mitmenschen gegenüber ehrlich sein, einander in die Augen und damit in die Seele zu schauen. Die beiden nehmen diese Erfahrung mit und leben fortan eine offene Beziehung, die ihr Freundespaar erst einmal gewaltig schockiert.

Sowohl Bob wie auch Carol haben eine Affäre - bei beiden ist jedoch nur das Physische vorhanden, reiner Sex. Keine Liebe, wie sie ausdrücklich gegeneinander betonen.

Die blonde Alice hat damit ein gewaltiges Problem. Sie merkt bald, dass sie selbst wohl ein Fremdgehen ihres Teds nicht so locker auf die leichte Schulter nehmen könnte und klammert umso mehr. Dieser Ted hintergeht seine Alice aber klassisch auf einer Geschäftsreise.

Bei einem gemeinsamen Ausflug kommt es zu einer grossen Diskussion, an deren Schluss alle vier im Bett landen (siehe Cover des Filmes). Allerdings sind alle vier zu verklemmt, als dass sie miteinander schlafen oder die Situation auch nur geniessen können. Der Film schliesst mit einem völlig zusammenhanglosen Trouble von Leuten, die sie gegenseitig in die Augen sehen.

Der Film besitzt eine sehr künstliche Atmosphäre. Die Filmemacher standen wohl im Dilemma zwischen dem, was sie zeigen wollten - nämlich freier Liebe - und dem, was ein typischer amerikanischer Kinokonsument zu sehen bereit war. Sie konnten daher dem Film auch keinen "richtigen" Schluss geben. Wer will mit einem Skandal seinen Film abgesetzt bekommen?

Auch störte mich die besonders starke Fixierung auf das Physische, den Ausschluss von Gefühlen bei einer Affäre. Aber auch das wohl eine Konzession an die Realisierbarkeit des Filmes.

Das, was aber "zwischen den Zeilen" vermittelt wurde, kann ich nur unterschreiben. Offenheit und Ehrlichkeit in einer Partnerschaft sind wichtig, die gegenseitigen Grenzen zu kennen und zu repektieren genauso. Jemanden kennenzulernen, sich zu verlieben, für eine Nacht oder auch mehr mit dieser Person zusammenzusein etwas vom schönsten, das es gibt. Und dass eine Ehe ein solches Erlebnis nicht ausschliessen muss, sofern sich beide Partner dazu bereiterklären.

Wenn sich einmal eine spezielle Situation ergibt, sollte man aber ohne fixe Vorstellung hineingehen, sondern den Fluss fliessen lassen. Nichts ist hässlicher, als wenn ein Abend nicht so wird wie man sich ihn vorstellt. Krieche ich mit jemandem ins Bett und habe eine lange Kuschelstunde - so kann das ein wunderschönes Erlebnis sein. Nahm ich mir aber vor, mit der Person zu schlafen - wird das ganze in einem Frust enden.

Doch zurück zum Film: Herrlich, ein paar Impressionen aus der Zeit seiner Geburt zu sehen. Extrem kurze Jupes und Hot Pants, die Männer in ordentlichen Anzügen. Niemand würde sich heute trauen, so auf die Strasse zu gehen ;-)

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  • priska@0x1b.ch Re: Bob & Carol & Ted & Alice
    Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Sonntag, 5. März 2006, 13:43


    Ich kann mich da nur Beat anschliessen. Der Film war irgendwie schräg und doch irgendwie interessant. Für heutige Zeit natürlich viel zuwenig "Action" und doch brachte er zwischen den Zeilen rüber, was er aussagen wollte.

    Ich möchte mich noch speziell zu der Szene im Seminar äussern: einander in die Augen und damit in die Seele zu schauen

    Der Leiter erklärte, dass wir heute sovielen Menschen auf der Strasse und überall begegnen, aber wir die Menschen gar nie richtig anschauen, ihnen nicht ins Gesicht schauen. Das stimmte mich sehr nachdenklich - denn auch 36 Jahre später hat die Aussage nichts an Aktualität verloren. Wer schaut seinen Mitmenschen schon wirklich ins Gesicht, in die Augen?

    Ich möchte mir diese Szene vornehmen, vermehrt meine Mitmenschen *an*zuschauen. Ihnen wirklich zu begegnen und nicht einfach an ihnen vorbeizugehen.