Im Herbst 1996 plazierte ich meinen ersten Server im Internet. Es war der
Webserver meines damaligen Arbeitgebers MINOLTA.
Schnell kam der Wunsch nach einer eigenen Website auf und wir buchten uns im
Februar 1997 bei der Switch den Domänennamen rubis.ch (Whois RUBIs alt).
Selbstverständlich wickelte ich ab diesen Zeitpunkt auch alle Mails über
diesen Domänennamen ab.
RUBIs war für uns schon lange der Name, unter dem wir bekannt waren. Me gat
zu s'Rubis uf Obschtalde war der typische Satz von Leuten, die uns besuchen
kamen. Die damalige Policy "first comes first serves" der Switch, das
allgemeine Verständnis von Namen und deren Besitzer liessen uns vermuten,
dass wir keine weiteren Probleme mehr bekommen würden.
Bei meinem Arbeitgeberwechsel 1999 stellte ich sämtliche relevanten
Mailinglisten auf meine private E-Mail um. Ich wollte damit sicherstellen,
dass ich keine Lücke bei Arbeitgeberwechsel bekomme - für mich sind Security
E-Mails der Stoff, mit dem ich meine tägliche Arbeit erledige. Der folgende
Job hielt nur ein 3/4 Jahr und die Idee eines zentralen Sammeltopfes hat
sich sehr bewährt.
Im Herbst 1999 kontaktierte uns das erste Mal die Firma Outils Rubis SA mit
dem Wunsch, ihr unsere Domäne abzugeben. Der damaligen Policy entsprechend
verlangten wir eine Entschädigung für unsere Aufwendungen, die nach einem
kurzen telefonischen Gespräch aber abgelehnt wurde. Outils Rubis SA buchte
sich darauf hin rubis-swiss.ch und alle waren zufrieden.
Im Frühling 2005 kam ein Entscheid
des Bundesgerichtes über die Domäne maggi.com. Kurz
zusammengefasst: Markenrecht kommt vor Namensrecht. Eine tiefschneidende
Aenderung der Usanzen im Internet. Die Outils Rubis SA erinnerte sich an
einen im 1991 registrierten Markennamen und ich erhielt keine zwei Monate
nach dem Entscheid am 7. April 2005 eine Aufforderung zur Abgabe meiner Domäne. Direkt von
einer Anwaltskanzlei und terminiert auf 10 Tage. Ab damit zu unserer
Rechtsschutzversicherung! Doch bekamen wir von dieser nach einer guten Woche
einen negativen Entscheid. Sie wollten den Fall nicht übernehmen.
Gleichzeitig dämmert uns, dass der von der Anwältin zitierte
Bundesgerichtsentscheid eine falsche Nummer trug (Tippfehler?) und wir
fanden den richtigen Auszug auf dem Web.
Viel zu diskutieren gab es nicht. Das Bundesgericht macht Gesetz und dieses
kann nur durch das Bundesgericht selbst oder das Parlament geändert werden.
Dass wir nicht diejenigen sein werden, die diesen Weg durchstemmen, war
rasch klar. Die zu erwartenden Kosten im 100'000.- Bereich und der sehr
ungewisse Ausgang eines solchen Rechtsstreites lassen es nicht zu, dass sich
eine vierköpfige Familie darauf einlässt. Unser nächster Schritt war es
somit, die Abgabe zu akzeptieren, jedoch eine Umstellungsfrist von drei
Monaten zu fordern. Selbst das wurde uns nicht gewährt - wir erhielten
gerade einmal zwei Monate Umstellungszeit. Auch dieser kam von der Anwältin.
Wir haben während dem gesamten Vorgang kein Wort direkt von der Outils Rubis SA
gehört.
Zu Beginn der Umstellung kam gleich unser ADSL-Ausfall. Ich sass voller
Adrenalin vor dem Computer, wusste sehr genau was zu tun wäre und konnte nur
Däumchen drehen. Als der Link wieder da war, ging die Arbeit los. 10
Computer an 4 Standorten, rund 100 Mailinglisten und Newsletter
(RUBIs Mailinglisten), 17 DNS Zonen (RUBIs DNS-Zonen),
12 MX Backups und dutzende von SSL-Certs und PGP / GPG Keys mussten
umgestellt werden. Ich begann mit der persönlichen und grossflächigen
Information meiner Bekannten, die ich auf weit über 1000 schätze. Eine
temporäre Webseite sollte die Besucher informieren.
Zwischendurch ereignete sich noch eine weitere nette Begebenheit: Die
Anwältin beauftragte die Switch in meinem Namen, unsere Domäne zu
transferieren. Ein Vorgehen, dass der Urkundenfälschung sehr nahe
kommt.
Heute (Whois RUBIs neu), zwei Monate später, sollte nahezu alles umgestellt sein. Der
Arbeitsaufwand war enorm, auch wenn ich etwas effektiver als die erstmalig
geplanten 100 Stunden war:
Aufgabe |
Stunden |
DNS und Switch |
10 |
Webauftritt |
7 |
Zeritifkate und Keys |
3 |
Mailkontakte Beat |
4 |
Mailinglistenabonnemente Beat |
12 |
Mailkontakte Priska |
4 |
Server, Workstations und Router Obstalden |
14 |
Server Zürich |
2 |
Server Bäch |
2 |
Workstation Pfäffikon ZH |
2 |
Workstation Adliswil |
1 |
Total |
61 |
Zu diesen Zahlen kommen noch einmal 10-20 Stunden Arbeit externer Leute.
Rechnet man mit einem heute üblichen Informatikerhonorar von 198.- / Stunde,
so kommt der nette Betrag von vielleicht CHF 14'000.- zusammen. Nein, wir
haben keinerlei Entschädigung von Outils Rubis SA erhalten - der zitierte
Bundesgerichtsentscheid schliesst eine solche explizit aus...
Bis zum Schluss kamen noch 1-2 Mails pro Woche auf die alte Adresse. Ich
habe versucht, alles umzustellen. Andererseits weiss ich, dass ich in
Mailinglisten bin, die vielleicht alle 2-3 Jahre eine Mails ausliefern. Ich
weiss auch, dass meine alte E-Mail Adresse noch auf hunderten von Webseiten
und auf tausenden von Newspostings für die Ewigkeit archiviert ist.
Wieviele Kontakte mir aufgrund der Umstellung verloren gehen, werde ich nie
abschätzen können.
Das Vorgehen der Outils Rubis SA ist vom juristischen Standpunkt aus gesehen
korrekt. Vom technischen und moralischen Standpunkt aus ist es
faktischer Selbstmord. Die Firma macht ihren Internetauftritt und ihre
E-Mail über Billigstprovider und besitzt selbst kaum technisches Know-How.
Sie werden fortan aber mit rund 1400 Spams, 50-100 Viren und vielleicht
10-20 gezielten Angriffen täglich konfrontiert werden - der typische
"Catch-All" Mailaccount ist sicherlich keine gute Idee. Weit über 1000 Leute
haben ihren Namen unter negativen Vorzeichen kennengelernt. Und nicht
zuletzt wird ihr neuer Name mit über 2500 Newspostings in Verbindung
gebracht, die oft sehr gesellschaftskritischen Inhalt haben.
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